Lai da Pulpuogna

Der Kesch-Trek in zwei Versuchen – durch einsame, abgelegene und wunderschöne Bergwelten

by Moritz

Eine viertägige Wanderung vom Flüelapass zum Albulapass, die durch die abgelegene Bergwelt im Graubünden führt. Nicht schwierig, aber trotzdem anstrengend. Vier Tage Abwechslung, Natur und genügend Zeit, um die Wanderung zu geniessen.

Flüelapass – Abzweigung Schwarzhorn – Fourcla Radönt – Grialetschütte
2 h 45 min, 6,5 km, 610 m ↑, 450 m ↓

Grialetschhütte – Scalettapass – Val Funtauna – Keschhütte
4 h 20 min, 13,1 km, 747 m ↑, 657 m ↓

Keschütte – Alp digl Chants – Val Plazbi – Fuorcla Pischa – Chamanna d’Es-cha
5 h 30 min, 14 km, 1080 m ↑, 1100 ↓

Chamanna d’Es-cha – Albulapass – Lai da Palpuogna – Preda – (Bergün)
4 h, 14,4 km, 230 m ↑, 1030 m ↓

Wetterglück? Naja. Das war unser zweiter Versuch, den Kesch-Trek zu wandern. Beim ersten Versuch verhinderte heftiger Schneefall die erfolgreiche Durchwanderung, beim zweiten Versuch empfing uns das Graubünden mit Hagel. Ich gehe einfach davon aus, dass sich das Graubünden so sehr auf uns gefreut hat, dass es die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte.

Bilder von unserem ersten Versuch

1. Wandertag: Flüelapass → Grialetschhütte

Die erste Etappe haben wir zwei Mal gemacht. Einmal von der Abzweigung Schwarzhorn und einmal vom Flüelapass Ospiz (was schlussendlich auch bei der Haltestelle Abzweigung Schwarzhorn vorbeikommt). Beim ersten Mal war das Wetter eher verhangen und kühl, aber es blieb trocken. Wir sind bei den kleinen Seelenis vorbeigewandert und sind am Berghang zur Grialetschhütte. Das ist eine gemütliche Variante und sicher spannender als am Talboden entlang (was etwas schneller wäre).

Beim zweiten Mal sind wir auf dem Flüelapass ausgestiegen und haben uns erst Mal ein Kaffee gegönnt. Was im Nachhinein ziemlich bescheuert war. Wir sind dann zur Abzweigung Schwarzhorn gewandert und haben uns diesmal für die Variante über die Fuorcla Radönt entschieden. Die ist etwas anspruchsvoller aber bietet natürlich etwas mehr Bergwelt… Böte etwas mehr Bergwelt…

Das Wetter wurde zunehmend schlechter. Wolken, Nebel und Wind waren unsere Begleiter. Also so ein bisschen wie beim ersten Mal. Von der Bergwelt haben wir nichts gesehen, was weiter als 25 Meter entfernt war. Oben auf der Fuorcla Radönt trafen wir einen Schäfer, der uns empfahl, direkt abzusteigen und nicht dem Bergwanderweg zu folgen.

Das war der erste Wink mit dem Zaunpfahl. Das Grummeln in der Ferne war der zweite Wink mit dem Zaunpfahl. Der Wetterbericht, der eine Gewitterfront so ziemlich genau um 14 Uhr voraussagte, war der allererste Wink mit dem Zaunpfahl. Die ersten Regentropfen waren der dritte Wink, der Schäfer später in der Pelerine war der vierte Wink…

Es kam wie angeworfen. Bevor wir verstanden hatten, was genau passierte, hagelte es schon. Und das macht schon noch so ein bisschen weh. Wir waren innert Sekunden komplett durchnässt. Als ich mein Regenschutz anzog, war es eigentlich schon zu spät. Die Regenhülle um den Rucksack, war auch eher Dekoration. Die Regenhose habe ich erst gar nicht mehr angezogen.

Das macht Spass. Genau so haben wir uns unseren zweiten Versuch vorgestellt. Viel ändern kann man daran ja nicht. Es blieb uns nichts anderes übrig, als die ganz nassen Sachen auszuziehen und die halbwegs trockenen Sachen anzuziehen und uns in der Hütte bei Tee und Schnaps aufzuwärmen. Was uns gelang.

2. Wandertag: Grialetschütte → Keschhütte

Der nächste Tag begann besser als beim Versuch zuvor. Beim ersten Mal hatten wir damals Schneeregen, dieses Mal war es zwar auch wolkenverhangen, aber es war trocken. Na gut, unsere Schuhe vielleicht nicht und die eine oder andere Jacke war auch eher noch klamm. Aber wir nahmen es mit Dank.

Der Aufstieg zum Scalettapass war um einiges kürzer, als dass ich es in Erinnerung hatte. Gut sind ja auch nur 400 Höhenmeter. Letztes Jahr im Schneegestöber und in der Kälte hat es sich ganz anders angefühlt. Frisch war es auch dieses Mal, aber kein Vergleich und ich nahm mir auf dem Pass etwas Zeit, um Edelweisse zu suchen. Letztes Jahr, als wir zur Schutzhütte stolperten, habe ich dort gesehen. Dieses Jahr waren es nur Margriten. Vielleicht waren es letztes Jahr auch nur Margriten? Verschneite und eingefrorene Margriten können leicht als Edelweiss durchgehen. Ich fand auf jeden Fall keine.

Ab hier betraten wir Neuland. Der Abstieg ist einfach und sobald man auf den Höhenweg kommt (er folgt dem Berghang), weiss man, warum man diese Wanderung macht. Das Tal Val Funtauna ist wunderschön, abgelegen und endlich hat man seine Ruhe (ausser die Keschtrekler).

Wir schätzten uns glücklich, dass wir letztes Jahr umgedreht sind. Der Weg ist nicht schwierig, aber der Berghang ist steil. Und wenn dann noch Schnee liegt und die Sicht schlecht ist, dann wird dieser Weg gefährlich. Alternativ könnte man am Talboden entlang wandern.

Bei der Abzweigung zum Sertigpass haben wir eine kurze Pause eingelegt und uns gleiche weitere Wanderprojekte ausgedacht. Eben zum Beispiel der Sertigpass oder die Ravais-ch-Seelenis.

Beim Aufstieg zur Keschhütte zogen nochmals Wolken auf und wir sind im Nebel zur Hütte hoch. Der Weg ist aber nicht anspruchsvoll. Die Hütte tauchte entsprechend erhofft, aber trotzdem überraschend auf.

Gegen Abend klarte es etwas auf und wir konnten den Porchabella-Gletscher und die verschiedenen Gipfel und die Sicht ins Val Tuors geniessen.

3. Wandertag: Keschhütte → Chamanna d'Es-cha

Der dritte Tag ist der anstrengendste. Am Anfang geht es gemütlich zur Alp digl Chants runter. Das dauert etwa eine Stunde. Hier ist auch der Punkt, an dem man die Tour abbrechen und in Tuors Chants das Alpentaxi nehmen könnte. Wir sind natürlich tapfer weitergewandert.

Das Val Plazbi ist ein wunderbar abgelegenes Tal und das lohnt sich auch sonst mal. Am Talende hat man die Wahl zwischen links Fuorcla Pischa oder rechts der Tschimas da Tisch. Wer den Keschtrek macht, geht links. Nach einer Pause haben wir das auch gemacht. Eine Pause bietet sich an, denn es werden 700 Höhenmeter auf knappe 3 Kilometer fällig und es geht auf knapp 2900 m ü. M. hoch. Da hilft der Wein vom Vorabend eher wenig.

Wir haben uns Zeit gelassen. Sind also tempomässig so knapp an der Schamgrenze gewandert. Was ein ganz gutes Tempo ist, das man auch länger durchhalten kann, aber es kommt einem erbärmlich langsam vor. So wurden wir auch immer mal wieder überholt. Allerdings waren diese Wanderer und Wanderinnen mindestens 10 Jahre jünger, eher 15 Jahre, also sicher nur halb so alt wie wir.

Kurz bevor das Geröll anfängt, haben wir auf 2600 m ü. M. eine Pause eingelegt. Es ist ja doch wieder eine Stunde vergangen und es dauert nochmals eine Stunde bis zur Fuorcla Pischa. Am Anfang ist das noch gemütlich. Geht zwar über Geröll aber ist gut machbar. Aber die letzte Viertelstunde ist wirklich steil und man braucht ab und zu die Hände, um sich auf diesem rutschigen Untergrund sicher fortbewegen zu können.

Oben angekommen blickt man nun ins Engadin und, oh Wunder, dort schien auch die Sonne. Allerdings fegte ein fieser, kalter Wind über die Fuorcla. Wir haben also die Aussicht nur kurz genossen und haben die Gelegenheit genutzt, dem Jungvolk zu zeigen, dass der Aufstieg nur die halbe Miete ist und sind zügig abgestiegen.

Der Weg ist sicher spannend, aber ich wollte nur noch zur Hütte. Wie so meistens verliere ich im letzten Teilstück einer Wanderung die Motivation und gute Laune. Am Anfang war er eher mühsam. Das Geröll bleibt nicht nur auf einer Seite liegen. Aber wird bald besser. Es folgt noch ein steiler Abstieg zum Hüttenweg, der vom Albulapass herkommt – was sich vollkommen unnötig anfühlte – dann ist man bei der Hütte angekommen.

Bei der Hütte Es-cha gönnten wir uns ein ausgiebiges Zvieri, haben mit Kühen gestritten und konnten einen Regenbogen geniessen.

4. Wandertag: Chamanna d'Es-cha → Bergün

Am vierten Tag geht es nach Bergün, dem Ende des Kesch-Treks. Wir waren froh, dass zumindest das erste Wegstück bis zum Albulapass einfach aussah und keine steilen Auf- oder Abstiege hatte. Gut dafür war es etwas langweilig. Zumindest das Stück das Nahe an der Passstrasse verläuft.

Der Weg runter zum Lai da Palpuogna, deswegen macht man diese Etappe, ist etwas länger als gedacht. Gut dauert trotzdem nur knapp eine Stunde. Aber mit drei Wandertagen in den Beinen fühlte sich alles etwas weniger schnell an. Die Passstrasse ist meistens weit weg und stört kaum, sodass man die Bergwelt in Ruhe geniessen kann.

Zum Palpuognasee gibt es wenig zu schreiben. Hingehen. Einfach hingehen. Es lohnt sich auf jeden Fall.

Nach Preda sind es etwa noch eine halbe Stunde durch einen Wald. Wer will kann von dort mit dem Zug nach Bergün oder noch etwa so eineinhalb Stunden nach Bergün wandern. Wirklich wandern wollten wir nicht mehr und den Zug mochten wir auch nicht nehmen, also blieb nur die rasante Fahrt auf dem Trottinett. Irgendwann reicht es auch mal mit dem Wandern und so am vierten Tag werden die kleinen Wehwehchen vom ersten Tag langsam, aber sicher eine Plage. Und die Fahrt mit dem Trottinett dauert auch nur knappe 20 Minuten, was wiederum mehr Zeit für den Apéro lässt.

Tipp: Unbedingt in den Nachtstunden den Sternenhimmel anschauen.

Die Grialetschhütte wird 2021 umgebaut.

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1 Kommentar

Marion 17. September 2020 - 15:13

Ich bin glücklich, dass wir uns vom Hagel nicht entmutigen liessen. Es war super eindrücklich und weit weniger anstrengend und anspruchsvoll als gedacht. Es lohnt sich, und noch mehr mit so netten Wanderbegleitern. Die Sterne waren der Hammer!

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